Drei in zwei

Die Herausforderung: Drei Sechstausender in zwei Wochen. Drei Bergsteiger der Bundeswehr nahmen sie an und erlebten Abenteuer pur.Nevado Sajama

Die drei Bundeswehrangehörigen sind bergsteigerisch natürlich keine unbeschriebenen Blätter. StFw Helmut Schramm vom Sanitätsamt ist Heeresbergführer, seine Begleiter – RAmtfr Silvia Sauerwein und MedDir Dr. Roland Köhler – sind beide Angehörige des SanABw. Mit vier weiteren Bergsteigern zog es sie in den südamerikanischen Winter. Das ehrgeizige Ziel: Drei Sechstausender in zwei Wochen zu besteigen.

Schon der Flughafen von La Paz (Bolivien) liegt etwa 4.100 m hoch. Von hier aus ging es los. Doch die ersten zehn Tage des Aufenthaltes dienten vorrangig der Akklimatisation. Eine ausreichend lange Anpassung des Körpers an einen Aufenthalt in großen Höhen ist zwingend notwendig um das Risiko der Höhenkrankheit zu minimieren.Gletscher am Ancohuma

Erst mal schauen

Eine Wanderung über die Isla del Sol im Titicacasee verbunden mit dem Besuch der Chincana-Ruinen und der gut erhaltenen Inkatreppe der Insel bot sich für die Höhenanpassung vor Ort geradezu an. Das anschließende Zelt-Trekking in Höhen zwischen 4.500 m und 5.000 m sollte die Vorbereitung abrunden. Eine teilweise anspruchsvolle Wanderung mit hohen Pässen und herrlichen Aussichten auf Condoriri und seine Nachbarn führte die Gruppe in sechs Tagen von der Laguna Khotia auf nicht markierten, in keiner Karte verzeichneten Pfaden zum Zongo Pass. Zur Unterstützung beim Transport der Ausrüstung und der Verpflegung wurden Mulis eingesetzt, die bis in Höhen von 4.900 m aufstiegen. Für die kulinarische Versorgung waren zwei einheimische Köche zuständig, die zugleich als Wanderführer fungierten. Mit der Besteigung des etwa 5.300 m hohen Pico Austria erreichte StFw Schramm mit seinen Kameraden den höchsten Punkt der aktiven Höhenanpassung. Wie bereits bei früheren Touren in große Höhen kontrollierten die Bergsteiger mittels eines Pulsoximeters zweimal täglich den Sauerstoffgehalt des Blutes sowie die Herzfrequenz. Aus diesen Werten kann ein erster wichtiger Rückschluss auf die bereits erfolgte Akklimatisation gezogen werden. Vor dem ersten 6.000er gönnte sich die Gruppe noch zwei Nächte in einem Hotel in La Paz, das während des Aufenthaltes in Bolivien als Stützpunkt zwischen den einzelnen Unternehmungen diente. Hier konnten sie ihre Ausrüstung sortieren, sich nach den Tagen im Zelt bzw. auf den Bergen ausgiebig duschen, Wäsche waschen und die für die anstehende Tour nicht benötigte Ausrüstung zwischenlagern.Abendstimmung auf 5.000

In die Berge

Der erste 6000er steht an. Am elften Tag will die Gruppe auf den 6.088m hohen Huayna Potosí in der Nähe von La Paz. Ausgangspunkt hierfür war der Zongo Pass, der mit 4.700 m nicht viel niedriger als der Mont Blanc – Europas höchstem Berg – ist. Von hier aus ging´s, diesmal ohne Muliunterstützung auf 5.130 m. Nach einer kurzen Nacht begann zunächst noch im Schein der Stirnlampen der Aufstieg auf den Gipfel. Mit Steigeisen und Pickel ging es an gewaltigen Gletscherspalten vorbei, über Steilwände bis zum beeindruckenden steil aufgeschwungenen Gipfelgrat. Hier auf über 6.000 m war höchste Konzentration erforderlich, da der Grat etwa 300 Höhenmerter auf der einen und gute 1.000 auf der anderen Seite steil abfällt. Eine zusätzliche Herausforderung an die mentale Stärke stellten die Windböen dar, die hier oben über den Grat drückten. Gegen Mittag standen die Bergsteiger am Gipfel.

Nach einem Ruhetag im quirligen La Paz begann frühmorgens die abenteuerliche Jeepfahrt zum Basislager des Ancohuma. Dort angekommen lagen noch etwa 2.500 Höhenmeter und zwei Hochlager zwischen den Bergsteigern und dem Gipfel des Ancohuma, der mit 6.425 m der dritthöchste Berg Boliviens ist. Das erste Hochlager liegt direkt an der Laguna Glacier mit beeindruckender Aussicht ins Tal bis hin zum Titicacasee. Das zweite wurde auf dem riesigen Gletscher eingerichtet. Das Biwak endete bereits gegen 2:30 Uhr. Bei etwa -15 Grad stieg die Gruppe ihrem Ziel entgegen. Mit Sonnenaufgang erreichten sie die technisch schwierigste Passage auf dem Weg zum Gipfel. Hier auf über 6.000 m Höhe galt es sowohl die Gletscherrandkluft als auch eine etwa 65 Grad steile und 70 Metern hohe Firnwand zu überwinden. Mit Eisschrauben, T- oder Firnanker bauten die Bergführer die Fixpunkte in die Wand. Nach etwa sieben Stunden Aufstieg stand das gesamte Team bei strahlendem Sonnenschein auf dem Gipfel. Nach einem kurzen Aufenthalt am Gipfel mit grandioser Sicht auf die umliegenden Berge begann der lange Rückmarsch. Dieser erfolgte auf dem Aufstiegsweg, also über die Steilwand wieder hinab bis zu den Zelten. An eine größere Pause war auch hier nicht zu denken, schließlich wollte die Gruppe noch am selben Tag zurück zur Laguna Glacier. Daher hieß es „Zelte abbauen und weiter marschieren“. Nach einem 16 Stundentag kamen alle kurz vor Sonnenuntergang wieder am ersten Hochlager an.2. Hochlager Ancohuma

Der folgende Tag war ausgefüllt mit der Organisation der Tour auf den dritten 6.000er. Diesen wollten Stabsfeldwebel Schramm und RAmtfr Sauerwein auf eigene Faust und ohne Unterstützung durch örtliche Hilfskräfte erobern. Zelt, Kocher, Eispickel, Seil – alles musste organisiert werden. Das Gepäck musste auf das absolute Minimum reduziert werden. Schon die Anreise über die so genannte Death Road (spanisch: el camino de la muerte) ist heikel. Diese nicht befestigte einspurige Verbindungsstraße zwischen La Paz und Coroico führt ohne Leitplanken an steilen Abhängen entlang und galt bis zum Bau einer Umgehungsstraße als die gefährlichste Straße der Welt.

Erkenntnisse

Am nächsten Tag trennten sich die Wege der Bergsteiger. Stabsfeldwebel Schramm und RAmtfr Sauerwein fuhren nach Sajama, dem Ausgangsort für die Besteigung des Nevado Sajama während der Rest der Gruppe zurück nach Deutschland flog. Nur neun Tage nachdem sie ihren ersten Gipfelerfolg feiern konnten, begannen sie mit ihrem Anstieg auf den höchsten Berg Boliviens mit 6.542 m. Bereits der Aufstieg ins Basislager stellte sich als äußerst mühsam heraus. Nicht, weil der Weg so lang und schwierig war, die Ursache war auch nicht im sehr schweren Gepäck zu suchen. Der wesentliche Grund war die offensichtlich nicht ausreichend lange Regeneration zwischen den einzelnen Touren. Nach einer Nacht im sonst menschenleeren Basislager fühlten sich die beiden wieder fit genug um ins Hochlager zu verlegen. Jedoch mussten sie bald feststellen, dass sie immer noch sehr müde waren. Ihr heutiger Marsch war wieder äußerst beschwerlich. Meter um Meter kämpften sie sich ihrem Tagesziel entgegen. Immer öfter mussten sie eine Pause einlegen. Noch vor Erreichen des Hochlagers trafen sie schweren Herzens die Entscheidung auf einen Gipfelversuch am kommenden Tag zu verzichten zumal sie wussten, dass sie sich im Hochlager auf 5.700 m nicht mehr regenerieren konnten. Und so ausgepowert wie sie waren, war ihnen ein Gipfelversuch zu gefährlich. Auf dem Weg zum Gipfel hätten sie noch eine technisch anspruchsvollere Passage an einer sehr ausgesetzten Stelle überwinden müssen. Ein Fehler an dieser Steilwand hätte zu einem Absturz von mehreren Hundert Meter führen können. Dieses Risiko wollten sie nicht eingehen.Abendstimmung auf 5.000

Darum der Entschluss, zurück bis ins Tal abzusteigen und hier noch ein paar Kilometer bis zu den heißen Quellen im Sajama Nationalpark marschieren. Hier konnte man dann regenerieren, in denen sich die Beiden vor der Heimreise ein ausgiebiges Entspannungsbad gönnten. Mit Blick auf Nevado Sajama im Hintergrund mussten sie sich von ihren Traum, drei 6.000er in zwei Wochen zu besteigen, verabschieden. Aber wie heißt es so schön: „Der Berg is koa Frosch, der hupft

net davo“. Nevado Sajama, wir kommen wieder!!!Gipfelfoto Pico Austria

TEXT und FOTOS: StFw Helmut Schramm

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