Teil 1: Wechselbad der Gefühle beim 2. Lauf der RCN GLP 2014 für Startnummer 92

Am 10. Mai 2014 startete der zweite Lauf der RCN-Gleichmäßigkeitsprüfung auf der Nürburgring-Nordschleife.20140524_101844_SnapseedDie Vorbereitung war wegen einer Dienstreise äußerst dürftig ausgefallen, so gab es zu wenig Zeit den Wagen durchzusehen und auch keine Möglichkeit zum „Training“ an der Playstation mit meinem Beifahrer Markus. Bei der Gleichmäßigkeitsprüfung versucht man, eine selbst gesetzte Zeit auf einem Rundkurs mehrmals hintereinander möglichst genau zu wiederholen. Für jede 1/10- Sekunde Abweichung werden Strafpunkte gegeben – es gewinnt somit nicht der schnellste, sondern das „präziseste“ Team. Die Zeitenansagen durch den Beifahrer wollten wir noch trainieren. Insbesondere, da wir unser Verfahren in den letzten Rennen immer weiter modifiziert hatten und nun die Routine fehlte. Aber so setzten wir auf Risiko und verwendeten die neuen selbst erstellten Vordrucke ohne sie auf Herz und Nieren geprüft zu haben.

Am Samstag trafen sich die über 150 Fahrzeuge zeitig an der Touristenauffahrt der Nordschleife im dort eingerichteten Parc-Fermé. Gemeinsam ging es dann nach der Fahrerbesprechung in den Vorstart: ein 150 Autos langer Stau auf der Döttinger Höhe – die Fahrzeuge werden einzeln über die Ziellinie ins Rennen geschickt. Wir starteten wie immer im hinteren Drittel, um so in der Einführungsrunde bei noch feuchter Strecke waghalsigen Überholmanövern zu entgehen und uns auf die erste Zeitnahme vorbereiten zu können. Bergwerk und Brünnchen passierten wir in durchschnittlicher Zeit und richteten uns dann gedanklich auf unser Verfahren ein. Am 20km-Schild stoppten wir kurz und Markus setzte seine Stoppuhr zurück. Nur wenige Teams nutzen die Möglichkeit der Einführungsrunde zur Zeitnahme, es rauschten viele Autos an uns vorbei. In eine Lücke stießen wir dann hinein und ich wurde auf meine Geschwindigkeit hochgezählt. Bis zur Touri-Auffahrt und Bilsteinbrücke lief alles prächtig, dann schob sich ein Opel Kadett C Coupe neben und schließlich vor uns. Dann ging er urplötzlich vom Gas, ich konnte meine Geschwindigkeit nicht halten, Überholen?, zuckte mir durch den Kopf, da war schon die nächste Zeitnahme fällig, ich verpasste den Punkt, um selbst vom Gas zu gehen, musste sogar noch bremsen, dicht vor uns schwänzelt der Kadett, ich schreie in meinen Helm, die Zeiten können wir vergessen. Wenigstens drücken wir synchron die Stoppuhr, als wir in „unsere“ Setzrunde gehen. Ratlosigkeit im Cockpit … Was machen wir jetzt? Bis zum Streckenabschnitt „Tiergarten“ können wir die Zeiten ja nehmen, danach nicht mehr. Also haben wir jetzt in der Setzrunde zwei Dinge zu erledigen: Markus muss mich zum einen lotsen und die Zeiten ansagen, zum anderen aber muss ich ihm die fehlenden Zeiten markieren und er muss diese dann genau von der laufenden Stoppuhr ablesen und notieren. Etwas viel – aber hoffentlich nicht unmöglich!

P1000798Markus hat die halbe zweite Runde nur den Bleistift am Rotieren, schreibt Zeiten auf und versucht Ordnung in unsere Situation zu bekommen. Dann blickt er mich an: „Welche Startzeit muss ich nehmen?“, höre ich ihn vom Beifahrersitz. Normalerweise errechnet sich diese aus den genommenen Zwischenzeiten. Noch ein Problem. Wir graben in unseren Gedächtnissen, zwei Zeiten stehen zur Auswahl, wir nehmen die höhere: 13:08 Min fahren wir ab. „Jetzt ist es auch egal, denke ich mir noch“, da kommt uns der giftgrüne Kadett wieder in die Quere. Nochmal lasse ich mir von dem nicht in die Suppe spucken, in der Fuchsröhre schnappe ich mir den Youngtimer. Mit Wut im Bauch geht es Richtung Adenauer Forst. Warten, warten, jetzt einlenken, und direkt umsetzen in die scharfe Rechts Richtung Metzgesfeld. Ich achte darauf, die Kerbs nicht mit anzufahren, die sind noch feucht und da kann man schnell wegrutschen. Kallenhard, Wehrseifen (aha, da ist der Absatz im Asphalt, der mich im ersten Rennen hinten ausgehebelt hat – jetzt also gerade anfahren und dann nicht auf dem Absatz bremsen!!!), Breidscheid, Exmühle. Die Wut verraucht, aber Bergwerk haben wir sehr zügig erreicht. Ich gehe etwas langsamer in den nächsten Abschnitt, um Markus Zeit zu lassen, unsere Abfahrt auf seinem Vordruck vorzubereiten. Er ist immer noch am Schreiben und Rechnen. Hochachtung, wir fahren Achterbahn und er macht Rechenaufgaben dabei! Unser Fanclub ist heute nicht mitangereist, am Brünnchen bleibt deshalb das Winken aus. Wir fahren heute auch am Schwalbenschwanz eine defensive Linie und rollen dann an „unser“ 20km-Schild. Markus legt den Vordruck zurecht und dann geht es los: in 20 sec. muss ich 100 auf dem Tacho erreichen, alle 2 sec 10 km/h schneller werden – es klappt ganz gut, bis Tiergarten passt alles, ich rufe „Jetzt!“, als wir das Schild passieren und gehe vom Gas, er notiert eine Zeit, ich fange den Wagen bei 80 ab, Hohenrain, ab hier 60, er konnte wieder die Zeit nehmen, dann Box (vor mir zum Glück kein Auto, ich halte den Tacho mit den Augen fest) und in die letzte Rechtskurve, umgreifen, Daumen auf den Stoppuhrdrücker am Lenkrad, wo ist die Linie …. piep, geschafft. Wir haben eine Zeit. Egal, welche. In der ersten Bestätigungsrunde kommt noch vor Aremberg ein BMW an uns vorbei und schenkt uns ein würziges Bouquet aus Kupplungsrauchen, Bremsgestank und ich-weiß-nicht-was-noch. Und das reicht dann doch auch für Markus aus … ihm wird zum ersten Mal schlecht. Einsilbig greift er sich die dafür an der Beifahrerseite angebrachte Tüte (danke, Tui-fly) und erleichtert sich. Ich gehe vom Gas und sorge mich ein wenig (knapp 200 km liegen ja noch vor uns!), er zeigt aber gleich wieder den Daumen nach oben. Entwarnung? Nein! Die schnelle Rechts nach Breidscheid erwischt es dann auch mich: mein Fahrersitz war nicht richtig eingerastet, der gesamte Sitz ratscht nach hinten durch, aus dem Lenkrad wird kurzfristig ein Haltegriff, gerade noch so kann ich mich festhalten zu verreißen. Gurte locker, Pedale weit weg, alle Spiegel falsch – was kommt denn jetzt noch bitte? Ich fluche und versuche, den Sitz halbwegs nach vorne zu bekommen und die Gurte straff zu ziehen. Irgendwie schaffen wir es auf die Döttinger Höhe. Verschnaufen, Sitz ausrichten und Spiegel checken, dann geht es auch schon wieder los … die Markierungen rauschen heran, Markus zählt mich in meine Zeiten hinein, ich halte mich sklavisch an meine Geschwindigkeiten, Glück haben wir mit dem Verkehr, niemand stört unseren Ablauf. Erste Bestätigung super hingekriegt, zumindest auf unseren Stoppuhren. Zwei Zehntel, das ist fast Bestwert für uns. Aber was ist das wert, wie liegen die von der Zeitnahme genommenen Abweichungen? Markus Handy piepst – meine Frau Nina verfolgt das Live-Timing und gibt uns Entwarnung: wir liegen tatsächlich gut mit unseren Zeiten!

DSC00640Jetzt können wir auch das Rennen genießen. Bereits in unserer dritten Runde waren wir zum ersten Mal von den schnellen Fahrzeugen überrundet worden, jetzt rauscht ein Ferrari 430 Scuderia an uns vorbei, toller Klang! Wir halten uns zurück, als leichter Regen einsetzt – unsere Zeit lässt das zu. Nun werden all jene Opfer ihres eigenen Ehrgeizes, die sich schnelle Zeiten gesetzt haben und nun mit feuchter, rutschiger Strecke und langsameren Gegnern zu kämpfen haben. Und den Ferrari sehen wir später in unserer Boxenrunde mit zerstörter Front an uns vorbeischleifen …

Die Bestätigungen hauen sehr gut hin, nur ein oder zwei Zehntel liegen wir daneben nach unseren gestoppten Zeiten. Dann reißt der Himmel auf, die Strecke trocknet ab und wir lassen es fliegen, Bergwerk und Brünnchen passieren wir immer schneller – nach fast 100 Runden Nordschleife stellt sich doch langsam Streckenkenntnis ein. Wir behalten auch im zweiten Rennabschnitt nach dem Boxenstop unsere Zeit bei und verhauen nur die letzte Runde. Ich – um genau zu sein. Daran muss ich noch arbeiten, ich wusste genau, dass wir etwas zu schnell hereinkommen, aber ich konnte nicht mehr reagieren. Drei Zehntel kostet uns das oder anders ausgedrückt: 3 Strafpunkte.

Aber wir haben es trotz all der Widrigkeiten wieder geschafft! Die Auslaufrunde genießen wir besonders, da wir (mal wieder) fast alleine auf der Strecke sind. Die Fenster halb auf, damit wir uns winkend bei den Streckenposten bedanken können, nehmen wir die letzten 20 km dieses Rennens unter die Räder. Der Wagen lag immer satt, kein Rutschen, kein Problem vom Motor, nur im Innenraum gibt es wohl was zu tun. Der Sitz muss dringend überprüft werden…

Bei der Ergebnisbekanntgabe dann der ungläubige Blick: Gesamtrang 8 von knapp 140 gewerteten Teilnehmern! Bestleistung für uns beide und bereits in der zweiten Saison in den Top Ten! Einmal haben wir sogar auf die tausendstel Sekunde bestätigt: 0 Strafpunkte! Da wäre Platz 5 drin gewesen, wenn ich in der letzten Runde nicht zu schnell gewesen wäre. Eine halbe Wagenlänge hat den Unterschied nach knapp 250 km ausgemacht – aber so ist das nun mal. Am 24. Mai kommt bereits der dritte Lauf. Dann werden wir uns von grünen Kadetts fernhalten und auch in der letzten Runde noch konzentrierter sein. Mal sehen, was geht!

Hier geht es spannend weiter  mit dem 3. Lauf.

 

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